Ach, lass doch einfach los..! Der Rat, den wir gern schon gegeben haben oder eher ungern hören, nützt meist kaum. Denn etwas loszulassen, fällt den meisten von uns schwer. 
Aufgeben, Dinge loslassen, kann bitter sein. Widerstand ist eine menschliche Reaktion. Jedoch verstärkt der Unwille das Anhaften an der Situation wie den Widerstand. Das Unangenehme, dass wir gerne loslassen wollen, gedeiht dann erst recht, denn wir geben ihm unsere ganze Aufmerksamkeit. Einfach gesagt gilt die Formel: Je mehr Widerstand, desto mehr Anhaftung. 

Der ehemalige buddhistische Mönch der Theravada Tradition und Meditationslehrer Matthias Dammavaro Jordan erklärt, dass Loslassen ein dreiteiliger Prozess ist:
1. Kommenlassen.  „Kommenlassen ist eine innere Haltung des Erlaubnisgebens: Das Thema, das wir eigentlich loslassen wollen, laden wir in unseren Bewusstseinsraum ein, und zwar vollständig. Vielleicht mit einem Interesse, es kennen lernen zu wollen. Ganz freundlich und ohne Widerstand. Es darf sich Raum nehmen, da sein, sich melden, sich fühlen lassen mit allem, was es mitbringt. Wir lassen alles an diesem Thema kommen. Dann ist es da.“ 
In der Meditation üben wir dies, Wir geben allem einen „freundlichen Raum“, wie ich auch oft so schön sage. Wir freunden uns an mit dem Unangenehmen, damit es seine Macht über uns verliert. Neugier und ein Forschergeist sind dafür hilfreich. Diese Übung hilft, sich dann auch im Alltag weniger zu verstricken.
2. Seinlassen. Damit meinen wir das Nicht-Bewerten. Keine Reaktivität. Das Thema, die Situation ist da und wir lassen es da sein. Dieses „Seinlassen“ beinhaltet etwa so Jordan: „Wir sind weder zugeneigt noch abgeneigt, sondern lassen es so sein, wie es gerade ist, genau so. Was ist das Ding und wie heisst es? Was ist seine Bedrohlichkeit? Hat es mir etwas zu sagen? Ist es immer gleich oder ändert sich etwas daran, wenn es einfach nur da sein darf? Sehe ich die Grenze dieses Themas? Kann ich auch sehen, dass es um dieses Thema herum Raum gibt? Dass ich dieses Thema zwar habe, aber es nicht bin?“
Der letzte Satz dieses Zitates deutet auf eine wichtige Erkenntnis hin, vielleicht die wichtigste, die wir durch Meditation und Achtsamkeit gewinnen: Man „ist“ nicht das, was man denkt und fühlt. Ich erlebe etwas, aber ich muss mich nicht damit identifizieren. Ich erlebe Wut, ich „bin“ aber nicht die Wut. Diese Desidentifikation sei gar eine der Hauptwirkungen der Achtsamkeitsmeditation, sagen Forscher. Desidentifikation hilft, die nötige Distanz zum Geschehen oder zu Gedanken und Gefühlen zu erhalten.
3. Das eigentliche Loslassen Es ist keine aktive Handlung, sondern vielmehr ein Sichlösen vom Thema. „Es hört sich komisch an, aber manchmal wollen Dinge einfach nur ihre Beachtung und Aufmerksamkeit und dann lassen die Themen Sie los. Vielleicht nicht sofort oder komplett, aber sie lockern ihre Eisenhand und Sie können etwas Erleichterung verspüren“, erklärt Jordan. Mut, zu dem zu werden, der wir sindAnnehmen und Loslassen ergänzen sich. Wir müssen zuerst etwas annehmen, bevor wir loslassen können. Und wir müssen loslassen, um Neues annehmen zu können. Eine Krise braucht es manchmal dafür, wie Corona, meist sind es jedoch persönliche Krisen, die uns zwingen, etwas loszulassen, etwas zu ändern. Wenn wir uns total erschöpft haben, ist es diese Ohnmacht, die uns zwingt, loszulassen. Last, Anspannung dürfen jetzt abfallen. Es tut auch gut, erschöpft liegen zu bleiben, und die Erlaubnis zu bekommen, wieder „zu sich zu kommen“.
Neues entsteht. Allerdings wissen wir nicht genau, wohin der Weg führt. Es ist erst mal eine gewisse Leere da. Diese kann Angst machen, denn wir haben es lieber sicher und vorhersehbar. Es braucht eine Portion Vertrauen, Mut und Geduld. Wie Loslassen und Akzeptanz sind auch dies wesentliche Elemente, die mit der Achtsamkeitspraxis und Meditation gestärkt werden und sich gegenseitig beeinflussen. Entwicklung heisst stets Veränderung. „Panta Rhei“ – alles fliesst. Wir ändern uns, alles um uns herum ändert sich ständig. Lassen wir das fixe Bild von uns selbst los, können wir wirklich wachsen – und, noch erfreulicher, auch unser eigenes Leben leben – das, was unserem Herzen entspricht. 

ÜBUNG

 Negative Gedanken loslassen

Viele Gedanken sind negativ. Oft sind es Ereignisse in der Vorstellung, die uns beunruhigen oder traurig machen und nicht das, was im Augenblick geschieht. Wenn eine Freundin unser Treffen absagt, entscheidet mein Gedanke über das Ereignis darüber, ob ich es gut annehmen kann oder darüber eher traurig oder ärgerlich bin.
Ich entscheide selbst, welche Gedanken ich zu einem Ereignis denke. Und ich kann mich jederzeit entscheiden, positive Gedanken zu denken. Folgende Fragen können helfen:
Was für ein Gefühl löst dieser Gedanke bei mir aus? Ist dieser Gedanke hilfreich oder nicht? Was habe ich von diesem Gedanken?  Stimmt es, was ich denke oder ist es nur eine Annahme? Finde ich einen alternativen Gedanken bzw. könnte ich die Situation auch anders sehen? Gibt es positive Gedanken zu dem Ereignis?
Schaue, wie sich deine Gefühle, deine Stimmung und Körperspannung ändern, wenn du dich auf die positiven Gedanken fokussierst. Atme langsam ein und aus, und fokussiere dich mehr auf deine Ausatmung. Stelle dir vor, du atmest aus, was du nicht mehr brauchst, und atmest Positives ein.